Taufstein und Kanzel
Der Taufstein und die Kanzel unserer Kirche bilden zusammen ein Ensemble. Beide wurden 1832/33 vom Stukkateur Gebhard Moosbrugger im klassizistischen Stil angefertigt. Moosbrugger gehört zu einer weit verzweigten Baumeister- und Stukkateurfamilie aus dem Bregenzerwald. Auftraggeber war der Steiner Gemeinderat, der damals – vor der Trennung von Kirche und Staat – auch für kirchliche Belange zuständig war.

kanzel (zip)

Der Taufstein hat die Gestalt eines grossen Kelches und er ist aus grau-weissem Stuckmarmor angefertigt. Die eingelassene kugelige Taufschale hingegen ist aus Sandstein. Auch die Kanzel mit ihrem zylindrischen Korb, dem schwungvollen Treppenaufgang und dem kreisrunden Schalldeckel ist aus Stuckmarmor, d.h. aus Gips hergestellt. Festgemacht ist sie am rechten Chorpfeiler. Auf ihrer Brüstung liegt ein Lesepult, das als Auflage für die Kanzelbibel dient(e).

Kanzeln als erhöhte Plattform für die Predigt sind eine Innovation der Prediger- und Bettelorden im 13. Jahrhundert. Der Predigerorden, gegründet von Dominikus (deshalb auch Dominikaner genannt), war anfänglich beauftragt zur Bekämpfung von abweichenden Glaubensauffassungen und zur Verkündigung der gültigen Lehre. Vermutlich bildete sich später aufgrund solcher oder ähnlicher Massregelungen später der Mundartausdruck «abekanzle».

Die Reformation beliess aufgrund der zentralen Bedeutung der biblischen Schriftlesung und der Predigt die Kanzeln in den Kirchen; dies wohl nicht zuletzt auch aus akustischen Gründen. Manche Prediger und manche Pfarrerinnen mögen heute nicht mehr auf die Kanzel steigen und auf die Gemeinde herunterschauen. Sie verstehen sich nicht «als über die Gemeinde gesetzt», sondern als Teil von ihr und von ihr zum Dienst berufen.

Bis zur Innenrenovation unserer Kirche im Jahr 1983 stand der Taufstein mitten im Chorraum. Wie in vielen evangelisch-reformierten Kirchen bildete er das bauliche und liturgische Zentrum. Die Taufe gilt aus theologischer Sicht buchstäblich als «Grund legend»; sie steht am Anfang eines Weges. Vielerorts diente der Taufstein zugleich als Abendmahlstisch, vor allem da, wo er mit einer Platte zugedeckt werden kann. Ob das in Stein auch der Fall war, entzieht sich meiner Kenntnis. Allerdings deutet der flache Deckel aus Kirschbaumholz darauf hin, denn abgedeckt entsteht ein runder Tisch.

Die prominente Aufstellung und die miteinander korrespondierende Anordnung von Kanzel und Taufstein bringen auf kirchenbauliche Art die Zusammengehörigkeit von Wort und Sakrament zum Ausdruck – Sakrament verstanden als «sichtbares Wort» und Zeichenhandlung, welche anzeigen, dass der Täufling zu Gott gehört und Teil der kirchlichen Gemeinschaft ist.
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