Taufbäume sind – historisch betrachtet – ein relativ junges Phänomen in reformierten Kirchen (in katholischen Kirchen sind sie kaum anzutreffen). Die ersten Taufbäume wurden in der Schweiz ab den 1990er Jahren «gepflanzt». In der langen Geschichte der Kirche gibt es dafür keine Vorbilder. Um das Phänomen zu erklären, hat sich die Fachgruppe Gottesdienst der Reformierten Landeskirche Aargau an das Kompetenzzentrum «Liturgik» der Universität Bern gewandt und um eine Antwort gebeten. Johannes Stückelberger legte 2015 eine Untersuchung vor. Ein erster Grund für das Phänomen sei das Bedürfnis, die traditionell karg geprägten evangelischen Gottesdienste vermehrt mit sichtbaren Symbolen zu bereichern. Ein zweiter Grund liege in der heute stark ausgeprägten Erinnerungskultur: Alles soll dokumentiert und bildlich festgehalten werden. Und daneben habe sicher auch das Konzept des «tauforientierter Gemeindeaufbaus» zur Verbreitung beigetragen, bei dem die Kirchgemeindeentwicklung bei der Taufe und damit verknüpfte Feiern wie Tauferinnerungsgottesdienste ansetzt.
Beim Berner Kompetenzzentrum sind die Meinungen hinsichtlich der Taufbäume geteilt. Kritiker monieren, die Taufbäume würden die traditionellen Symbole – Wasser, Kreuzzeichen und Segensgeste – überschatten. Tatsächlich ist die Baumsymbolik nicht eindeutig, wie ein Blick auf verschiedene Homepages von Kirchen mit Taufbäumen zeigt.
Da heisst es etwa: Der Baum sei ein Bild für das Leben und das Heranwachsen der Kinder, oder der Baum sei ein Sinnbild für die (wachsende) Gemeinde, oder ein Symbol für die Hoffnung: Wie ein Baum Früchte bringe, so soll unser Christenleben reichlich Frucht bringen, oder ein Symbol für die Wunsch: Das Kind möge in der Welt Wurzeln schlagen wie ein Baum und dem Himmel entgegenwachsen.
Ich denke, alle diese Bezüge dürfen mitschwingen. Mir selbst kam Jesu Gleichnis vom Senfkorn in den Sinn (Mt 13,31–32), in dem Jesus das Reich Gottes mit einem Senfsamen vergleicht, das zu einem grossen Baum heranwächst,«so dass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten». Um diese Symbolik zu unterstreichen, «wohnen» aktuell auch Filzvögel im Taufbaum. Bei der Taufe schwingt die Hoffnung mit, dass durch die Verbindung mit Christus, die bei der Taufe gefeiert wird, das Reich Gottes – Liebe, Frieden, Heilsein und gelingendes Leben – unter uns Gestalt gewinnt.
Irina Bossart
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